Mann, Heinrich – Der blaue Engel

Professor Raat ist ein kleinbürgerlicher Tyrann. Als Gymnasiallehrer schikaniert er seine Schüler und nutzt bei jeder Gelegenheit seine Macht aus. Er wird von seinen Schülern gerne provoziert und hinter seinem Rücken Unrat genannt. Der Schüler Lohmann ist besonders widerspenstig und Unrat sinnt auf Rache. Er findet in Lohmanns Heft einen Hinweis auf eine Tänzerin namens Rosa Fröhlich und beschließt dieses vermutlich leichte Mädchen ausfindig zu machen. Die Künstlerin Fröhlich arbeitet im Blauen Engel und singt und tanzt dort in gewagter Kleidung. Unrat begibt sich in die Garderobe der jungen Chanteuse und ist schnell von ihrem Charme fasziniert. Fortan verbringt der ältere Herr seine Abende bei Rosa Fröhlich in der Künstlergarderobe.  Auch seine Schüler Lohmann, von Erztum und Kieselack frequentieren regelmäßig das zwielichtige Etablissement und sind von der Tänzerin fasziniert. Als Unrat von seinen Schülern bei unzüchtigen Handlungen mit Frau Fröhlich erwischt wird, stellen diese ihn zur Rede. Unrat reagiert barsch, und demütigt und beschimpft die jungen Männer und lässt diese aus dem Lokal verweisen. Sein Ruf ist jedoch dahin, da sich seine nächtlichen Eskapaden rasch herumgesprochen haben. Während einer Gerichtsverhandlung erfährt Unrat, dass Rosa sich mit den drei Schülern getroffen hat und wird rasend vor Eifersucht. Noch im Gerichtssaal verliert er die Nerven und lässt sich zu einer üblen Schimpftirade verleiten. Infolge dessen wird er unehrenhaft entlassen und auch die drei Schüler werden aus der Schule entfernt. Unrat zieht mit Rosa Fröhlich zusammen. Doch dann ist kein Geld mehr da. Der Professor und die Tänzerin kommen auf die Idee, in ihrem Haus Tanzabende mit Glücksspiel und sonstigen Vergnügungen abzuhalten. Viele Bürger sind von dem halbseidenen Ambiente angezogen und einige werden durch das Glücksspiel ruiniert. Rosa Fröhlichs betörende Wirkung auf Männer und Unrats boshaftes Wesen verbinden sich zu einer unheilvollen Allianz, die zahlreiche Männer ins Unglück stürzt. Doch dann taucht nach zweijähriger Abstinenz Lohmann wieder auf.

Die Sprache dieses Buches ist – traun fürwahr – an vielen Stellen etwas altmodisch. Es ward an die Tür geklopft und die Sobeschaffenen interessieren sich für zweideutige Frauenzimmer. Trotzdem ist das Buch sehr gut zu lesen, weil es stilistisch hervorragend geschrieben ist. Außerdem ist das Buch auch sehr spannend – man möchte unbedingt weiterlesen. Es handelt sich um den seltenen Fall von Unterhaltungsliteratur mit gesellschaftskritischem Anspruch. Die kleinbürgerlichen Verhaltensweisen und die Charaktere werden glaubhaft, lebendig und sprachlich herausragend dargestellt. Der Dialekt wird als Stilmittel und Abgrenzungsmerkmal eingesetzt.  Die Oberschicht parliert in feinstem Hochdeutsch, während die einfache Bevölkerung Dialekt spricht. Die Umgebung wird eher selten und wenn überhaupt relativ kurz beschrieben. Der Schwerpunkt liegt auf den detaillierten Charakterzeichnungen der handelnden Personen. Ein lesenswertes, spannendes und gut geschriebenes Buch.

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