Sartre, Jean-Paul – Die Kindheit eines Chefs

Der kleine Lucien hat wunderschöne blonde Locken und wird als kleines Kind oft für ein Mädchen gehalten. Alle Verwandten und Bekannten hätscheln und verwöhnen ihn. Doch schon bald entwickelt der kleine Knirps manipulative Züge und lernt von seinem Vater, einem Fabrikanten, was Macht und Ansehen bedeuten – schließlich ziehen beim Spaziergang im Park alle Arbeiter vor seinem Vater den Hut und verbeugen sich. Lucien wird älter und macht sich zusehends Gedanken über die menschliche Existenz, durch diese Grübelei wird er immer verwirrter. Er lernt den Existenzialisten Bergere kennen und ist fasziniert von dessen dekadentem Lebensstil und seinen oft schockierenden Gedanken. Zwischen den beiden Männer beginnt eine Affäre und Lucien ist geschockt über sein eigenes Verhalten. Bergere verschwindet aber nach einiger Zeit aus seinem Leben und Lucien wendet sich mehr seiner Familie zu und hat Liebesbeziehungen zu Frauen. Er gerät in eine konservative und nationalistische Gruppe mit ausgeprägtem Elitedenken, die sich hauptsächlich durch die Abgrenzung gegen andere definiert. Die Gruppe lehnt alles ab, was nicht französisch oder christlich ist und behandelt die einfachen Arbeiter mit kaum verhohlener Geringschätzung. Lucien gewinnt an Selbstvertrauen und Selbstsicherheit, weil ihm andere plötzlich mehr Respekt entgegenbringen. Er scheint bereit zu sein, ein Chef zu werden.

Sartres Menschenbild ist pessimistisch: nur durch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe mit fragwürdigen Idealen gewinnt der junge Lucien an Selbstbewusstsein. Dieses Selbstbewusstsein kommt aber nicht von innen, sondern rührt nur aus der Mitgliedschaft in der Gruppe und seiner vererbten Chefposition. Die anderen respektieren und fürchten ihn, also wird er selbstbewusster. Ob die Ideale der Gruppe menschlich vertretbar sind oder die Chefposition erarbeitet oder vererbt ist, spielt keine Rolle. Er wird nicht wegen seinen Fähigkeiten als Mensch, sondern nur wegen seiner Machtposition respektiert. Das Buch ist sehr leicht zu lesen. Sartre schreibt in einer einfachen und leicht verständlichen Sprache. Die Grundzüge des Existenzialismus werden deutlich und die Beschreibungen des Seelenzustandes der Hauptfigur sind sehr eindringlich und leicht nachvollziehbar.

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